Eine Begegnung der besonderen Art

Ich wollte es mir beweisen. Ein tief verankerter Glaubenssatz meines inneren Kindes war schon immer: „Ich schaffe das nicht alleine. Ich kann das alleine nicht.“. Das habe ich reflektiert, als ich 1 Jahr nach der Sache mit Sven, mich mit mir selbst auseinandergesetzt habe. Ich habe mich mit grundsätzlichen Fragen beschäftigt. Wer bin ich? Wer war ich in meiner Kindheit? Wer war ich in meiner Jugend? Wer war ich vor der Zeit mit Sven? Wer war ich währenddessen und wer bin ich jetzt und wer möchte ich in Zukunft sein? Ich baute mir mit Hören von Hörbüchern, Gesprächen mit Menschen, die mich schon lange kennen, mit vielen einsamen Stunden und Grübeleien über mich selbst, eine völlig neue Identität zusammen. Denn nach Sven hatte ich die nicht mehr. Er hatte ja alles verbrannt, was ich jemals besessen habe. Vom Lieblingskleid, Lieblingsbuch, Lieblingsdvd, Lieblingstasse, alle Möbelstücke bis hin zu dem heiligen Sessel meines verstorbenen Opas, meine Tagebücher, Zeugnisse, Bachelorarbeit, Masterarbeit und Aufzeichnungen aus meinem Studium, einfach alles, was man sich vorstellen kann. Sprich ich fand heraus, wer ich bin, wenn nichts mehr bleibt, außer ich selbst. Ich habe mich sonst ein Leben lang über meinen Partner oder meine Sachen identifiziert. Meine Sachen waren meine Erinnerungen an schöne Momente mit den Personen, die ich liebte. Also fing ich an in meiner neuen Identität alte Glaubenssätze aufzubrechen und sie zu verändern.

Ich fuhr also alleine mit meinem Volvo, nach Aarhus, Dänemark, um mir endlich meinen Lebenstraum in Form eines bildschönen Tattoos mir für immer und ewig auf meine Haut verewigen zu lassen. Natürlich auch, um mir zu beweisen, dass das Schwachsinn ist, was ich mir in meiner Kindheit einprogrammieren ließ. Meine Hunde brachte ich zuvor in die Hundepension meines Vertrauens. Ich fuhr früh morgens los. 10 Uhr sollte ich im Tattoostudio sein. Es klappte alles. Ich hatte es alleine hierhergeschafft und machte nun auch alleine diese Erfahrung. In der Pause kam ich in ein sehr interessantes Gespräch mit einem Fremden, der sich auch am selben Tag von einem anderen Artist tätowieren ließ. Ich fragte ihn, wie es dazu kam, was er vorhatte.

Er antwortete: „Ich wollte das schon lange. Und jetzt hält mich nichts mehr auf.“, sagte der Fremde, auf Englisch und blickte mich an. Es war sein erstes Tattoo. Er hatte bisher kein einziges. Er entschied sich als sein erstes Tattoo, den kompletten Rücken tätowieren zu lassen. Die nächsten Tage sollten noch mehr dazu kommen. 20 Tage sind angesetzt, bis er sein Ziel erreicht hatte. Krass, dachte ich. Ich blickte ihn an und da fiel mir eine frische Narbe zwischen seiner Brust auf. Die Naht war noch frisch. Ich erschrak kurz. Jetzt verstand ich, was er mit seinem ersten Satz meinte und ich kam ins Grübeln. Warum brauchen wir immer erst ein WARUM, um das zu tun, was wir wollen, um der zu sein der wir sind oder um dem nachzugehen und das herauszufinden wer wir sind? Warum lassen wir uns immer wieder davon abhalten? Warum muss es immer erst ein schwerer Schicksalsschlag oder ein Ereignis sein, damit wir aufwachen? Er riss mich aus meinen Gedanken, blickte mir tief in die Augen und fragte mich, was mein WARUM sei. Warum jetzt, warum an der Stelle und warum das Motiv. Ich antwortete ihm geistesabwesend: „Aus dem selben Gründen wie du. Jetzt hält mich nichts mehr auf.“

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